Weltgedenkgottesdienst

Wo ist das Licht, das uns aus der Dunkelheit führt?
von Ute Leser
Seltsam, dass der Lichterbaum für die verstorbenen Kinder ausgerechnet in diesem Jahr eine besondere Leuchtkraft zu haben schien. Als wollte er seine strahlenden Zweige in den Himmel flechten. Seltsam auch, dass mir nach so vielen Jahren zum ersten Mal seine vollendete Form auffiel. Die jedes entzündete Licht als Zeichen der Liebe herzförmig nach oben schickte.
Und dennoch stand im Schatten dieses Baumes eine Frage, die jeden von uns tief berührte:
Wo ist das Licht, das uns aus der Dunkelheit führt?

Tod durch Gewaltverbrechen – wo bleibt da der Trost und wo die Worte, die Heilung bringen? Und wie, fragte ich mich im Stillen, können diese trauernden Eltern und Geschwister mit einem solchen Schicksal jemals den Weg aus der Lichtlosigkeit finden? Wie von einer unsichtbaren Hand gehalten, fanden sie dennoch den erstaunlichen Mut und die staunenswerte Kraft, ihrem unsagbaren Schmerz Ausdruck zu geben. Ja, es ist ihnen sogar gelungen, Wut, Verzweiflung und die unbegreifliche Sinnlosigkeit eines solchen Schicksals in Hoffnung und Frieden zu verwandeln. Unglaublich, dachte ich, im verlorenen Glauben an eine göttliche Bestimmung noch soviel Gottvertrauen zu finden. Keiner der Trauernden klagte den Himmel an, sondern war dankbar für die Kraft der Liebe, die mit jedem Funken der Erinnerung im Raum zu leuchten schien. Alexander, Carolin, Juli, Jewgeni, Katja, Kai, Kirsten, Lisa und Peter, sie alle gaben uns das Gefühl, in diesem Augenblick ganz nahe zu sein. Als hätte der Blick in die Vergangenheit sie in die Gegenwart zurückgeholt, als wollten sie uns ein lebendiges Zeichen ihrer geborgenen Seelen geben. Alle Tränen der Trauer schienen sich für einen Moment sogar in lachende Erinnerung aufzulösen.

Wie heißt es in der Fürbitte an Lisa so tröstlich? Du bist nicht mehr da, wo du warst, aber du bist überall, wo ich bin.
Und in der Fürbitte an Juli fragt sein Bruder Tobias: Kann man mit jemandem lachen, der tot ist?
Auch die Familien von Carolin und Katja erinnern sich vor allem an ihre unbeirrbare Liebe, ihr Lachen und das bleibende Licht. Alexander und Peter – sie gingen gemeinsam in den Tod und bleiben Hand in Hand mit ihrer lebendigen Wärme, ihrer Selbstlosigkeit und dem Mut, sich füreinander einzusetzen, zurück.
Die Familie von Jewgeni drückt es so aus:
Wenn Liebe einen Weg in den Himmel fände – und Erinnerungen Stufen wären – dann würden wir hinaufsteigen und dich wieder zurückholen. Kirsten lebt im Herzen ihrer untröstlichen Eltern und des einzigen Bruders mit der wunderbaren Kraft ihres Humors, ihrer Hilfsbereitschaft und ihrer allgegenwärtigen Nähe. Und schließlich bleibt auch Kai als unauslöschbare Erinnerung mit seiner liebenswerten Gutmütigkeit, Ehrlichkeit und Zielstrebigkeit im Schoß der Familie zurück.

Jeder der Betroffenen hat versucht, das Unsagbare in sein Gefühl der Sehnsucht zu fassen.
Und jedem einzelnen ist es gelungen, die zerstörende Kraft des gewaltsamen Schicksals
in die unzerstörbare Macht der Liebe zu verwandeln.